30. September 2020

Bundesverwaltungsgericht kippte am 27.11.2019 alle Satzungen zur Zweitwohnungssteuer, soweit diese den so genannten Mietwert nach der Jahresrohmiete berechnen


Nachdem das Bundesverwaltungsgericht am 14.12.2017 bereits den so genannten Stufentarif bei Zweitwohnungssteuersatzungen gekippt hat, ist das Gericht jetzt „einen Schritt weiter“ und erklärte alle Zweitwohnungssteuersatzungen, welche zur Bemessung der Steuer auf die zum 01.01.1964 festgestellte Jahresrohmiete gemäß 79 BewG Bezug nehmen, für verfassungswidrig.

Eigentümer von Zweitwohnungen, die gegen die Zweitwohnungssteuerbescheide vor den Verwaltungsgerichten geklagt haben, waren dabei gut beraten. Denn alle Bescheide, die auf die Jahresrohmiete nach § 79 BewG Bezug nehmen, sind rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies wie folgt:

"Bei der Bemessung einer Zweitwohnungssteuer nach der auf den 1. Januar 1964 festgestellten Jahresrohmiete gemäß § 79 BewG kommt es durch erhebliche Wertverzerrungen zu Ungleichbehandlungen, die vor Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr gerechtfertigt sind. Da die Verwendung dieses Maßstabs ganz generell keine realitätsnahe und relationsgerechte Bewertung mehr ermöglicht, können jedenfalls seit dem Jahr 2009 weder das Ziel der Verwaltungsvereinfachung noch Gründe der Typisierung und Pauschalierung die Verwendung des Maßstabs rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvR 807/12 und 1 BvR 2917/13 - juris Rn. 32 f.).



Bei diesem auch von der Gemeinde X.X. verwendeten Steuermaßstab werden seit 1964 veränderte Ausstattungsstandards von Gebäuden ebenso wenig berücksichtigt wie Veränderungen der Lage oder verkehrlichen Anbindung von Grundstücken. Dies führt dazu, dass mit diesem Steuermaßstab der durch das Halten einer Zweitwohnung betriebene Aufwand nicht bei allen Zweitwohnungsinhabern gleichmäßig abgebildet wird, sondern erhebliche Wertverzerrungen auftreten, die eine gleichheitsgerechte Erhebung der Zweitwohnungssteuer verhindern. Die Wertverzerrungen werden nicht durch die Hochrechnung der Jahresrohmiete entsprechend dem Preisindex der Lebenshaltung für Wohnungsmieten ausgeglichen, vielmehr wird die ungleiche Behandlung unterschiedlicher Zweitwohnungsinhaber im Gemeindegebiet durch die Hochrechnung perpetuiert (BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juli 2019 - 1 BvR 807/12 und 1 BvR 2917/13 - juris Rn. 32 und 34 f.). Das Berufungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass der Gemeinde andere als zulässig anerkannte und hinreichend praktikable Steuermaßstäbe wie die tatsächlich gezahlte bzw. die ortsübliche Miete für vergleichbare Objekte zur Verfügung stehen."

Quelle: BVerwG, Urteile vom 27.11.2019, 9 C 7/18; 9 C 6/18; 9 C 3/19

Tipp: Sie können unabhängig von anderen Rechtsfehlern der gemeindlichen Zweitwohnungssteuersatzungen gegen noch nicht bestandskräftig gewordene Bescheide klagen, soweit dort auf die Jahresrohmiete gemäß § 79 BewG Bezug genommen wird. Diese Bescheide sind rechtswidrig, weil die zugrundeliegenden Satzungen verfassungswidrig sind.


Allerdings können die Gemeinden ihre verfassungswidrigen Satzungen ändern und dann eine neue, verfassungsgemäße Bemessungsgrundlage wählen, z. B. die Vergleichsmiete. Nicht wenige Gemeinden werden diesen Umstand allerdings dazu nutzen, die Zweitwohnungssteuer damit zu erhöhen.