21. Dezember 2022

Durchsuchung bei Google-Fonts-Abmahnern


Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin gab am 21. Dezember 2022 mittels Pressemitteilung bekannt, dass Durchsuchungsbeschlüsse gegen einen Rechtsanwalt und seinen Mandanten im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren „wegen des Verdachts des (teils-) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen […] sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme von 346.000 Euro“ im Zusammenhang mit Google-Fonts Abmahnungen vollstreckt wurden.


Vorgeworfen wird den Beschuldigten, dass sie bundesweit Abmahnungen mittels Anwaltsschreiben versandt hätten, in welchen eine Schmerzensgeldforderung aufgrund der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Einbindung nicht lokal gehosteter Google-Fonts geltend gemacht wird mit dem gleichzeitig unterbreiteten Vergleichsangebot, von einer Rechtsverfolgung mittels gerichtlicher Geltendmachung gegen Zahlung von 170 € abzusehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft führt aus: „Dass die behauptete Schmerzensgeldforderungen […] nicht bestanden, soll den Beschuldigten dabei bewusst gewesen sein. […]“

Dabei sollen sie auch gewusst haben, dass sie „[…] die angeblichen Forderungen nicht hätten gerichtlich durchsetzen können“. Die Androhung eines Gerichtsverfahrens soll daher tatsächlich nur mit dem Ziel erfolgt sein, die Vergleichsbereitschaft zu wecken.“

Hintergrund der „Google-Fonts-Abmahnwelle“ ist das Urteil des LG München I vom 20. Januar 2022 (Az. 3 O 17493/20), welches von den „Abmahnern“ auch in ihrem Schreiben zitiert wird.

Aus rechtlicher Sicht lag bei den „Abmahnern“ aber schon keine mit der Ausgangslage in o.g. Urteil vergleichbare Situation vor. Das LG München I befand in seiner Entscheidung, dass „die automatische Weitergabe der IP-Adresse (als personenbezogenes Datum) durch den Betreiber einer Website einen datenschutzrechtlichen Eingriff darstelle, in den der Besucher der Seite nicht eingewilligt habe.“ und daher die Übertragung der IP-Adresse an Google in den USA einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertige.

Im vorliegenden Fall, so die Generalstaatsanwaltschaft, seien die Websites der „Abgemahnten“ aber nicht von einer Person aufgesucht worden, sondern es sei eine Software zum Einsatz gekommen, die entsprechende Websites identifiziert haben soll. Danach hätten die Beschuldigten mit einer eigens dafür entwickelten Software die so gefundenen Websites automatisiert aufgerufen und diesen Besuch von der Software protokollieren lassen, sie sollen „[…] Websitebesuche […] letztlich also fingiert haben.“.

Somit sollen die Beschuldigten darüber getäuscht haben, dass eine natürliche Person die entsprechende Website besucht hätte. Da die Seiten jedoch von einer Software automatisiert aufgerufen wurden, scheidet eine Persönlichkeitsverletzung schon aus, da keine Person an diesem Aufrufvorgang unmittelbar beteiligt war.

Selbst wenn eine echte Person die entsprechende Seite aufgerufen hätte, gerade mit dem Ziel, ihr Persönlichkeitsrecht mittels der Datenübertragung an Google durch Google-Fonts sehenden Auges „verletzen“ zu lassen, läge schon keine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor; so die Generalstaatsanwaltschaft: „hätten sie faktisch auch in die Übermittlung eingewilligt, so dass gerade kein datenschutzrechtlicher Verstoß mehr gegeben war, der eine Abmahnung hätte begründen können.“

Sogar in Fällen, in denen tatsächlich keine Datenübermittlung in die USA stattgefunden haben soll, hätten die Beschuldigten eine entsprechende Abmahnung versandt.

Die Original-Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin können Sie hier abrufen:


https://www.berlin.de/generalstaatsanwaltschaft/presse/pressemitteilungen/2022/pressemitteilung.1277538.php

Auch unsere Kanzlei war bereits vielfach bei der Abwehr und Zurückweisung dieser und ähnlicher unberechtigter Abmahnschreiben aktiv. Wir sehen aufgrund der Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin unsere Rechtsauffassung bestätigt, dass Abmahnungen dieser Art ungerechtfertigt und rechtsmissbräuchlich sind. Die grundsätzliche im Urteil des LG München I aufgeworfene Problematik bleibt jedoch bestehen, weshalb auch vermeintlich unberechtigte Abmahnungen nicht schlicht ignoriert werden sollten, sondern die Forderung wenigstens zurückgewiesen werden sollte.

Bei Zweifeln oder Unsicherheiten in Bezug auf eine erhaltene Abmahnung in diesen und ähnlich gelagerten Fällen kann es sinnvoll sein, die Überprüfung und ggf. Zurückweisung durch einen Rechtsanwalt vornehmen zu lassen. Auch wenn die aktuelle Google-Fonts-Abmahnwelle aufgrund der aktuellen Ermittlungen abebben dürfte, helfen wir Ihnen in ähnlichen Situationen - insbesondere bei der Abwehr unberechtigter und/oder Geltendmachung berechtigter Schadensersatzansprüche aufgrund von Datenschutzverletzungen gern weiter.